Heute hat Wolfgang Mitterer in guter Kapitän Nemo Manier mit seiner Nautilus den Großen Saal des Konzerthauses mehrfach durchpflügt. Getaucht in blau-violettes Licht erstrahlte die Orgelempore als Sparringpartner eines virtuosen Orgelsolisten.
Den Spieltisch hat Mitterer zur Kommandozentrale umgebaut, von der er aus die Reise durch den Tiefseekosmos leitete. Die Tour de Force führte zu den seltsamsten Geschöpfen und unmöglichsten Orten die der Kosmos zu bieten hat – Tiefseeangler auf LSD, funkelnde Kristallpaläste, transformierte Riesenkraken, interstellare Staubwolken, dysproside Lavaströme, feinhäutige Lichtwesen, fusile Methanseen, allerlei Napalmgetier, revoltierenden Planetaria, Enzymcluster um nur einige zu nennen. Selbst die pfeilschnellen Angriffe biokybernetischer Schützenpanzer und autopoietischer Drohnen aus den tiefsten Abgründen konnten der Nautilus nichts anhaben und steigerten im Gegenzug nur den Willen des Kapitäns mit allen Künsten eines Zeittonkriegers das Schiff heil aus der apokalyptischen Szenerie zu bringen. Rasseln, Rauschen, Rütteln, Zischen, Lispeln, Dröhnen, Pfeifen, Ächzen, Klingen, Stöhnen – Register die die Orgel selten zieht.
Eine Reise mit Wolfgang Mitterer hat mehr von “Fear and Loathing in Las Vegas” als von “Das Traumschiff”. Stornobuchungen eingerechnet – Passagieren stehen Rettungsluken zur Verfügung. Für den Libertin werden Klänge zu Farbpaletten, bekommen Gefühle Raumkoordinaten, nehmen Intervalle Gestalt an und Geräusche werden zu Gerüchen. Die Ordnung der Zahlen bricht, der Raum mutiert zu einem einzigen Resonanzkörper, wird zum Instrument.
Nichts für Katatoniker, Alles für Synästhetiker.
– zu Wolfgang Mitterers “free radio” Orgel solo und electronics, 16.11.11, Großer Saal Wiener Konzerthaus –
Weitere Info: Beitrag “Wien Modern 2011. Wolfgang Mitterers freies Radio.” am 24.11.2011 um 23:03 auf Oe1 in Zeit-Ton